Erinnern wir und zurück.
Wir schreiben das Jahr 3000 v.d.Z. irgendwo unweit des Schwarzen Meeres: Ein Fremder betritt den Ort. Für solche Leute hat die Sprache der Einheimischen, das Indogermanische, ein Wort: *ghostis – Fremder.
Dreitausend Jahre später, ein anderer Ort, ein anderes Volk, dasselbe Wort. Unser Wort ist weit herumgekommen, hat sich aber äußerlich nur wenig verändert. Aus dem behauchten /gh/ wurde ein /h/. Ansonsten hat es das Leben jedoch weniger gut mit ihm gemeint. Bezeichnet es doch nicht mehr länger den Fremden; sondern den Feind.
Heute, Deutschland: »hostis« hatte einen Zwillingsbruder. Vor fünftausend Jahren glichen sie einander, wie ein Ei dem anderen. Nur wanderte dieser Zwilling nicht mit den Italikern, sondern mit den Germanen. Auch es paßte sich äußerlich an: Sein /gh/ verlor die Behauchung, sein /o/ wurde zum /a/ und irgendwo auf der Reise verlor es seine Endung, aber dennoch wird es gerne gesehen und überall willkommen geheißen, das kleine Wort Gast.